Donnerstag, 12. März 2020

Willkommen auf dieser Plattform

Liebe Leserin, lieber Leser,
im Zentrum der Frage des gesunden Heranwachsens und sich Entfaltens steht der MENSCH. An ihm orientiert sich diese Frage: an seinem Wesen, seiner Freiheit, seiner Selbstbestimmtheit, seiner Würde. Dies ist eine hier vorausgesetzte Annahme, die nicht verhandelbar ist. Eigentlich wäre es somit ganz einfach, wenn es nicht unendlich kompliziert wäre ...
Im Fokus des Heranwachsnes steht üblicherweise das KIND. Derzeit gibt es eine wieder hochgekochte Debatte über KINDERRECHTE (im Grundgesetz). Leider hat es den Anschein, dass bei dieser mittlerweile sehr emotional und inhaltlich verstrickten Debatte der (junge) Mensch nicht wirklich im Mittelpunkt steht. Daher soll hier der Versuch einer konstruktiven Analyse der Frage und des Umgangs mit ihr stattfinden.
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Über die ENTSTEHUNG DIESES BLOGS und seine bisherigen INHALTE lesen Sie HIER.

Wir wünschen eine konstruktiv anregende Lektüre!

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Freitag, 12. Februar 2016

Willkommen auf dieser Plattform!

Liebe Leserin, lieber Leser,
im Zentrum der Frage der Bildung steht der MENSCH. An ihm orientiert sich diese Frage: an seinem Wesen, seiner Freiheit, seiner Selbstbestimmtheit, seiner Würde. Dies ist eine hier vorausgesetzte Annahme, die nicht verhandelbar ist. Eigentlich wäre es somit ganz einfach, wenn es nicht unendlich kompliziert wäre ...
Derzeit und schon seit (zu) langer Zeit steht im Fokus der Bildungsfrage hingegen die SCHULE. Die noch etwas besseren Überlegungen gehen dahin, wie die Schule zu verändern ist, dass sie zum Menschen passt. Die weniger guten bis regelrecht dramatischen Überlegungen zielen darauf ab, wie der Mensch zu verändern ist, so dass er in die Schule passt. Bei keinen dieser Überlegungen steht der Mensch wirklich im Mittelpunkt. Kaum jemand wagt es, vertrauensvoll vom Menschen als kompetentes und potentes Wesen aus zu gehen und zu denken. Wo würden wir da hinkommen?
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Dieser BLOG ist vor etwa zwei Jahren entstanden als Folge eines anderen Blogs, aus dem damals ein Buch hervorging, in welchem heiß diskutiert wurde darum, was denn "BILDUNGSFREIHEIT" sein mag (es trägt den Titel Versuche zur Verteidigung der Freiheit - Nachdenkliches zur "Bildungsrepublik").
Der erste und lange Zeit einzige hier veröffentlichte Beitrag ist ein Briefwechsel mit einem Familienrichter, der mit folgendem Anliegen konfrontiert wurde:
Unter den jungen Menschen, die als schulpflichtig kategorisiert werden, gibt es immer wieder welche, die nicht auf die in der Schule vorgegebene Weise lernen wollen, sondern sich individuell selbstbestimmt bilden möchten – und sich deswegen dem Schulbesuch verweigern. Andere haben in der Schule Gewalt durch Mitschüler oder Lehrer erfahren oder miterlebt oder sonstige sehr unangenehme Erfahrungen gemacht und sind deswegen nicht bereit, weiter zur Schule zu gehen.
Dass sich diese jungen Menschen für eine Art der Bildung (außerhalb von Schule) entscheiden, ist unserer Auffassung nach völlig verständlich und gerechtfertigt. Von Seiten des Staates wird dies jedoch nicht akzeptiert. Von den Behörden wird in der Regel kompromisslos versucht, einen Schulbesuch zu erzwingen, unabhängig davon, ob dies im konkreten Fall dem Wohl der Betroffenen dient oder ob dadurch die Rechte der Betroffenen verletzt werden. ...
... wie sich ein betroffener junger Mensch dagegen wehren kann, dass seine eigenen Entscheidungen und Erfahrungen ignoriert werden und „über seinen Kopf hinweg“ entschieden wird. Wie kann er deutlich machen, dass seine Entscheidung wohl überlegt und begründet ist und er selbst weder gestört noch krank ist? Wie kann er sich gegen eine zwangsweise Therapie und „Fremdunterbringung“ wehren?
Über eine Antwort würden wir uns sehr freuen.
Diese Fragen wurden beantwortet mit:
Ihr Anliegen missbillige ich in höchstem Maße. Als Familienrichter habe ich ohne jedes Zögern Schulverweigerern das Sorgerecht teilweise entzogen, um einen geregelten Schulbesuch sicherzustellen. ... Ich bitte Sie, mich nicht mehr zu kontaktieren.
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Der zweite hier veröffentlichte Beitrag ist der sehr lesenswerte und leider viel zu wenig bekannte KINDER-DOPPELBESCHLUSS (ein 30 Jahre zuvor entstandenes und hier erstmals digital veröffentlichtes Werk der damaligen Kinderrechtsbewegung). Eine der drei darin erhobenen Forderungen die Abschaffung des elterlichen Züchtigungsrechts ist immerhin 16 Jahre später (im Jahr 2000) erfüllt worden. Bleiben bis heute noch die Anliegen offen, welche die Schule und die Jugendgefängnisse betreffen ...
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Nun gibt es eine NEUE BEITRAGSREIHE für diesen Blog, nachdem drei Menschen so frei waren, einen am 31. Januar 2016 in der Welt am Sonntag erschienenen Artikel mit dem Titel "ANGST MACHT SCHULE" durch LESERBRIEFE zu kommentieren die von der Welt am Sonntag leider nicht veröffentlicht wurden und daher nun hier eine Leserschaft finden mögen - eine vielleicht aufmerksame, nachdenkliche, kritische Leserschaft.
Wir wünschen eine anregende und aufregende Lektüre!

"Angst macht Schule" - Die "Welt am Sonntag" über Schulvermeidung

Der ZEITUNGSARTIKEL ist online hier nachzulesen, in dem es um die "Schulvermeidung und damit verbundenen psychischen Erkrankungen" geht. "Zwei Typen gibt es bei jenen, die sich vor der Schule drücken", heißt es, "die Kinder, die hinter dem Rücken ihrer Eltern blaumachen, weil sie keine Lust auf die Schule haben. Und die Kinder, denen die Schule solche Angst macht, dass jeder Versuch, dort hinzugehen, zu einem Kampf für sie wird."
Es werden Erkenntnisse gewonnen:
"Manche Kinder müssen sich morgens vor der Schule übergeben oder haben starke Bauchschmerzen … Wer will und kann dann schon hart bleiben? Genau das müssten die Eltern aber eigentlich tun: Das Kind in die Schule schicken ..."
Und Hilfsmaßnahmen zur Erziehung dargestellt:
"Mit den Eltern wird besprochen, wie wichtig es ist, die Verantwortung für den Schulbesuch an ihr Kind zurückzugeben und ihm das Leben ohne Schule möglichst unattraktiv zu machen."
Denn: "Oberstes Ziel ist, dass die Schüler wieder so schnell wie möglich in die Schule gehen."
Aus juristischer, psychologischer und philosophischer Sicht wollte dies nicht unkommentiert bleiben, wie sich in den folgenden drei LESERBRIEFEN nachlesen lässt:

    "Angst macht Schule": Leserbrief des Rechtsanwalts Jost von Wistinghausen

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    der Artikel in der letzten Ausgabe der WAMS vom 31.01.2016 auf Seite 17 muss bei mir eine Reaktion hervorrufen, welche Sie hoffentlich in ungekürzter Fassung abdrucken können:

    Angst macht Schule? Schule macht Angst!

    Unter der Überschrift „Angst macht Schule“ wird das Phänomen der Schulvermeidung thematisiert, doch die Autorin kommt – durch die Befragung nur eines „Experten“ – zu einer fatalen falschen Schlussfolgerung. Schon die Überschrift hätte lauten müssen „Schule macht Angst“.

    Die Schüler versagen? Die Schule versagt!

    "Angst macht Schule": Leserbrief des Philosophen Bertrand Stern

    Welch ein bedauerlicher Beitrag! Ist dessen Autorin nie in den Sinn gekommen, was ein Wandel der normativen Setzungen unserer Zivilisation bedingt: Das, was einst noch galt, muss heute nicht zwangsläufig noch zutreffen! Dass vor zweihundert Jahren, als es weder Computer noch mikroinvasive Chirurgie, weder Weltraumflüge noch Telekommunikation gab, die Zwangsbeschulung als Fortschritt dargestellt wurde, bedingt noch lange nicht, dass wir uns heute, inzwischen im 21. Jahrhundert, danach richten müssten... Vor allem: Hat Ihre Autorin jemals darüber nachgedacht, was inzwischen auch in anderen Bereichen gilt: das angeblich Krankhafte ist vielleicht das eigentlich Gesunde und zugleich das Zeichen eines krankhaften Systems?
    Oder sollte ich die Absicht Ihrer Autorin missverstanden haben?

    "Angst macht Schule": Leserbrief der Psychologin Franziska Klinkigt

    Angst macht Schule?
    Wollen wir nicht lieber Liebe statt Angst?

    Stellen Sie sich einen lieben Menschen vor, dessen Wohl Ihnen am Herzen liegt: Ihre beste Freundin, Ihren besten Freund, Ihren Mann, Ihre Frau, Ihre Liebste, Ihren Liebsten, Ihren Bruder, Ihre Schwester, Ihre Mutter, Ihren Vater ... und sie oder er erzählte Ihnen Folgendes: "Meine Arbeit macht mir überhaupt keine Freude. Jeden Morgen, wenn ich aufstehe, spüre ich nichts als Lustlosigkeit. Es fällt mir manchmal wirklich schwer, dafür aufzustehen und mich da hinzuschleppen." Was wäre Ihre Reaktion?
    Stellen Sie sich vor, dieser liebe Mensch erzählte Ihnen dies: "Ich geh jeden Morgen mit Bauchschmerzen zur Arbeit. Sie macht mir so zu schaffen, dass ich vor Sorgen oft nachts nicht schlafen kann. Wenn ich morgens aufstehe, schnürt sich mir die Kehle zu. Manchmal ist mir so übel, dass ich sogar brechen muss." Was wäre Ihre Reaktion?

    Samstag, 1. Februar 2014

    Und niemand will's gewesen sein? - Zur Theorie und Praxis der (strukturellen) Gewalt


    Einleitung
    Es wird oft von „Gewalt gegen Kinder“ gesprochen. Und zumeist wird solche Gewalt mit bestimmten Personen assoziiert, denen vorgeworfen wird, unmittelbar gewalttätig zu sein. Gewiss mag es auch solche Fälle geben! Hiergegen wurden bestimmte Maßnahmen ersonnen, von denen wesentliche benannt werden soll: der im BGB verankerte § 1631  Abs. 2 untersagt jedwede Gewalt gegen „Kinder“. Soweit so gut, könnte nun angenommen werden! Leider gibt es allerdings neben der „unmittelbaren Gewalt“, die sowohl physisch-körperlich wie seelisch-psychisch sein kann, auch eine viel subtilere Gewalt, die als „strukturell“ bezeichnet werden kann – insbesondere dann, wenn ihre Urheber und Akteure die staatlichen Behörden sind. Hier gilt es der Klarheit wegen drei unterschiedliche Quellen der vom Staat ausgehenden strukturellen Gewalt zu unterscheiden:
    • im Zusammenhang mit Schulgesetzgebung;
    • im Zusammenhang mit Jugendämtern;
    • im Zusammenhang mit der Justiz.
    Während die erste Gewalt („Schulanwesenheitszwang“) hinlänglich bekannt ist, hier also keiner weiteren Erörterung bedarf, soll für die zweite darauf hingewiesen werden, in welcher Weise sich diese Gewalt verbirgt: Auf Grund gewisser Ereignisse („Kevin“ u.a.) gab es Änderungen in der Gesetzgebung (z.B. im Sozialgesetzbuch VIII) und die Jugendämter bekamen offensichtlich Weisung von oben, strenger gegen „Kindeswohlgefährdung“ vorzugehen – zugleich wurde „Schulverweigerung“ als eben kindeswohlgefährdend angesehen. Letzteres verdreht Ursachen und Wirkungen: Nun sollen Jugendämter sich nicht etwa der Aufgabe verpflichtet sehen, die legitimen Rechte von jungen Menschen zu schützen, vor allem dort, wo diese gefährdet scheinen, sondern sie verhalten sich objektiv „kindeswohlgefährdend“. Stellen wir uns vor, ein junger Mensch würde – aus welchen Gründen auch immer – sich der Schule verweigern und nun dadurch kriminalisiert und psychiatrisiert, weil Jugendämter sich nicht dem Menschen, sondern Normen und normativen Gesetzen verpflichtet fühlten ... Statt nach Ursachen der Verweigerung zu forschen und mögliche Lösungen zu eruieren, werden betroffene junge Menschen und ihre Familien (familien-)gerichtlich verfolgt: bis zum Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts oder des Sorgerechts.
    Die strukturelle Gewalt von Seiten der Justiz soll hier nicht etwa dokumentiert werden anhand einiger derzeit laufender Verfahren, dies wäre auch für die Betroffenen zu gefährlich. Um einen Rechtsanwalt sinngemäß zu zitieren: Der Kampf um die Rechte der jungen Menschen ist ein Kampf gegen „Betonköpfe“ in der Justiz! Wie wahr dies ist, wird sich erweisen …
    Ein Bild der strukturellen Gewalt soll hier anhand zweier Briefwechsel gezeichnet werden, deren Veröffentlichung vielleicht auch als Einladung an die Leserschaft zu verstehen sei, konkrete Vorschläge zu unterbreiten, in welcher Weise sinnvoll mit solch struktureller Gewalt umgegangen werden könne. Selbstverständlich soll diese „Korrespondenz“ durch andere ergänzt werden, indem weitere eigene Erlebnisse dokumentiert und eingebracht werden. Sinn dieses Anliegens ist die Erfahrung: Information kann so manches Leid reduzieren oder vermeiden, indem originelle andere, kreative Energien aktiviert werden!
    1.
    Es begann Ende letzten Jahres mit einem Brief von Matthias Kern, Mitbegründer der Freilerner-Solidargemeinschaft e.V., an einen Rechtsanwalt und ehemaligen Familienrichter. Die Anregung, speziell diesem Mann zu schreiben, entstand u.a. beim Lesen seiner Internetpräsenz, in welcher er beschreibt, er engagiere sich „besonders dafür, dass Eltern und Kinder gemeinsam aufwachsen können“, und betont, dass eine Trennung von Eltern und Kindern nur dann zulässig sei, „wenn es gar kein anderes Mittel gibt“. Ich danke Matthias Kern für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung!
     24. November 2013
    Fälle von Missachtung der Rechte junger Menschen und des Kindeswohls durch Amtsträger, z.B. im Jugendamt – Erkundung der Möglichkeiten einer Handhabe
    Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt und ehem. Familienrichter,
    wir erfahren immer wieder von Fällen, in denen junge Menschen zwangsweise Maßnahmen unterworfen werden, die unserer Auffassung nach die Rechte der jungen Menschen verletzen und nicht ihrem Wohl dienen, sondern ihnen im Gegenteil schaden – und dies gerade durch Amtsträger in Schulen, Schulbehörden, Jugendämtern und Gerichten, deren Aufgabe es eigentlich ist, dem Wohl und den Rechten der jungen Menschen oberste Priorität einzuräumen.
    Wir möchten diese jungen Menschen gerne unterstützen und begleiten – fühlen uns aber oft hilflos, weil wir keine Möglichkeiten erkennen können, den handelnden Amtsträgern Einhalt zu gebieten und sie in ihre Schranken zu weisen. Hierfür erlauben wir uns, Sie um Ihre Unterstützung – zunächst in Form juristischer Informationen – zu bitten. Aufgrund der Ausführungen auf Ihrem Internet-Auftritt hoffen wir, dass Sie unser Anliegen verstehen können.
    Vorweg einige Informationen über die Freilerner-Solidargemeinschaft:
    Unter den jungen Menschen, die als schulpflichtig kategorisiert werden, gibt es immer wieder welche, die nicht auf die in der Schule vorgegebene Weise lernen wollen, sondern sich individuell selbstbestimmt bilden möchten – und sich deswegen dem Schulbesuch verweigern. Andere haben in der Schule Gewalt durch Mitschüler oder Lehrer erfahren oder miterlebt oder sonstige sehr unangenehme Erfahrungen gemacht und sind deswegen nicht bereit, weiter zur Schule zu gehen.
    Dass sich diese jungen Menschen für eine Art der Bildung (außerhalb von Schule) entscheiden, ist unserer Auffassung nach völlig verständlich und gerechtfertigt. Von Seiten des Staates wird dies jedoch nicht akzeptiert. Von den Behörden wird in der Regel kompromisslos versucht, einen Schulbesuch zu erzwingen, unabhängig davon, ob dies im konkreten Fall dem Wohl der Betroffenen dient oder ob dadurch die Rechte der Betroffenen verletzt werden. Die jungen Menschen und ihre Erziehungsberechtigten werden massiv unter Druck gesetzt, nicht selten werden die jungen Menschen (teilweise auch die Eltern) für krank bzw. gestört erklärt. Teilweise werden sie zwangspsychiatrisiert und/oder von ihren Eltern getrennt.
    Nachdem sich schon seit vielen Jahren Betroffene und Sympathisanten in Form einer Initiative regelmäßig treffen, sind wir im vergangenen Jahr einen Schritt weiter gegangen und haben einen eingetragenen Verein – die „Freilerner-Solidargemeinschaft e.V.“ – zur Unterstützung dieser jungen Menschen („Freilerner“) und ihrer Eltern gegründet.
    Wenn wir – was nicht selten vorkommt – erleben, dass von Seiten der Amtsträger Entscheidungen getroffen werden, die nach unserer Auffassung nicht dem Wohl der betroffenen jungen Menschen dienen und deren Grundrechte verletzen, stellt sich für uns immer wieder die Frage, was wir – als gewissermaßen unbeteiligte Dritte – denn tun könnten, um dem Einhalt zu gebieten.
    Natürlich können wir Briefe an die beteiligen Behörden schreiben oder eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen – aber damit wird wohl eher der Bock zum Gärtner gemacht.
    Nun also unsere Frage an Sie:
    Gibt es nach Ihrer Kenntnis Möglichkeiten, als Außenstehender ein formales Verfahren z.B. gegen das Jugendamt bzw. einen seiner Mitarbeiter einzuleiten, wenn der Verdacht besteht, dass Amtshandlungen dem Kindeswohl schaden oder die Rechte der Betroffenen verletzen?
    Wäre es z.B. möglich, bei der Staatsanwaltschaft oder der Polizei z.B. eine Anzeige wegen Körperverletzung oder Freiheitsberaubung zu erstatten, die dann von Amts wegen verfolgt werden müsste?
    Kann – insbesondere von Außenstehenden – eine Beschwerde oder Anzeige wegen Gefährdung des Kindeswohls (z.B. gegen das Jugendamt) bei einer anderen Stelle als dem Jugendamt selbst eingereicht werden?
    Oder gäbe es noch ganz andere Möglichkeiten?
    Darüber hinaus wäre wichtig zu wissen, wie sich ein betroffener junger Mensch dagegen wehren kann, dass seine eigenen Entscheidungen und Erfahrungen ignoriert werden und „über seinen Kopf hinweg“ entschieden wird. Wie kann er deutlich machen, dass seine Entscheidung wohl überlegt und begründet ist und er selbst weder gestört noch krank ist? Wie kann er sich gegen eine zwangsweise Therapie und „Fremdunterbringung“ wehren?
    Über eine Antwort würden wir uns sehr freuen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Matthias Kern
    Im Namen und Auftrag der Freilerner-Solidargemeinschaft e.V.
    ***
    Als ich diesen Brief zum ersten Mal las, war ich angetan von der Klarheit dieser Worte und der deutlichen Darlegung des Anliegens ... ob dies nur mir so ging?
    Drei Tage später folgte die Antwort:
    27. November 2013
    Sehr geehrter Herr Kern,
    Ihr Anliegen missbillige ich in höchstem Maße. Als Familienrichter habe ich ohne jedes Zögern Schulverweigerern das Sorgerecht teilweise entzogen, um einen geregelten Schulbesuch sicherzustellen.
    Mir sind Probleme mit Schulen bestens bekannt, dennoch kann niemand seine Kinder alleine erziehen! Den Kindern fehlt das Gemeinschaftserleben. Die Rechte der Kinder werden durch die verweigernden Eltern schwer missachtet!!  Zwangsweise Therapie ist übrigens nach der Rechtsprechung des BVerfG nur im Falle einer Unterbringung nach den Unterbringungsgesetzen der Länder möglich. Ein Familienrichter kann keine Therapie anordnen.Ich bitte Sie, mich nicht mehr zu kontaktieren.
    Mit freundlichen Grüßen
    ..., Rechtsanwalt, Familienrichter a.D.
    ***
    Hatte der Adressat das Schreiben wirklich gelesen? Kann es sich hier um ein Missverständnis handeln? Könnte er das Anliegen beim oberflächlichen Lesen anhand weniger Stichworte in eine Ecke gesteckt haben, in die es gar nicht gehört? Oder sieht er junge Menschen schlichtweg als nicht entscheidungsfähig an und betrachtet die Vorstellung eines "selbstbestimmten Minderjährigen" als irrsinnig?

    Wie kommt es, dass die Kompetenz eines jungen Menschen, die auch darin besteht, dass er "Nein" sagt zu einer Sache, angezweifelt wird – nein: dass seine Kompetenz gar nicht zur Debatte steht? Denn: wieso redet denn der angesprochene Anwalt hier von verweigernden Eltern, wo Matthias Kern doch eindeutig von sich der Schule verweigernden jungen Menschen spricht? Dürfen sie etwa keine eigene Meinung haben, keinen eigenen Willen? Wird ihnen etwa abgesprochen, dass sie wissen, was gut oder nicht gut für sie ist? Wie kommt es, dass in Bezug auf die Frage der Schule gar nicht die Idee aufkommt, die Kinder/Jugendlichen wahr- und ernstzunehmen, insbesondere in ihrer Äußerung und ihrem Recht „nein“ zu sagen?
    Hier die Reaktion zweier Menschen, denen ich dies zeigte:
    "Ich sitze mit weit geöffnetem Mund, sprachlos und erschüttert vor diesem Schreiben! Denn sie wissen nicht, was sie tun!"
    "Beim Lesen des Briefes dachte ich auch, wie gut geschrieben ich ihn fand! Und beim Lesen der Antwort nur "Ach Du meine Güte...!" mit einem gedanklichen Kopfschütteln.
    Ich fragte mich, ob er den Brief wirklich aufmerksam gelesen und versucht hat, zu verstehen, worum es da geht, oder ob er nur grob drübergeschaut und es in seine Schublade 'Schulverweigerer' gesteckt hat. So etwas ist doch wirklich einfach nur traurig ..."
    2.
    Ich erfuhr von einem weiteren Schriftwechsel. Einst lief auf einigen Fernsehkanälen eine Dokumentation über eine wahrlich gewaltvolle „Inobhutnahme“ eines Jungen durch die jugendamtlichen Behörden; dort wird ein ehemaliger Familienrichter und jetziger Anwalt interviewt, der sehr klar und deutlich sich gegen solche wahrlich verheerenden und unmenschlichen Maßnahmen ausspricht. Dies veranlasste den Philosophen Bertrand Stern sich per E-Mail mit diesem ehemaligen Richter in Verbindung zu setzen. Den ersten Kontakt nahm er auf am „Internationalen Tag der Menschenrechte“ und wie es weiterging wird im Folgenden zu lesen sein.
    10. Dezember 2013
    Sehr geehrter Herr ...,
    vor kurzem wurde ich auf zwei Aufzeichnungen von Fernsehsendungen hingewiesen, in denen Sie mitgewirkt haben; hierbei hat mich die – aus meiner Sicht und Erfahrung wohl seltene – Klarheit Ihrer Aussagen so begeistert, daß ich mir gedacht habe: Mit einem Mann, der sich hinsichtlich der zwischengenerationellen Beziehungen von all dem Üblichen und Üblen so wohlweislich abhebt und für menschliche Positionen eintritt, möchte ich ins konstruktive Gespräch treten. Nachdem Sie nun weit über NRW hinaus bekannt sind, hoffe ich, daß Sie es mir nicht verübeln, wenn ich mich nun ohne weitere Empfehlung an Sie wende und Sie auf diese Weise anspreche. Daß dies am heutigen „Internationalen Tag der Menschenrechte“ erfolgt, scheint mir ein gutes Omen zu sein für das Ihnen vorgetragene Anliegen.
    Vorab: Als zivilisationskritischer Philosoph widme ich mich seit über vier Jahrzehnten Fragen, die im Zusammenhang stehen mit dem unbedingten Respekt vor der Würde und der Selbstbestimmtheit der Person und folglich mit Überlegungen zum Ausbruch aus den die Menschen bevormundenden, nicht selten sie entwürdigenden Institutionen. Ein besonderes Augenmerk meiner Auseinandersetzung gilt dem kritischen Aspekt der demokratischen Gestaltung eines wohl selbstverständlichen Rechtes, frei sich zu bilden – und von da aus dem nicht minder wesentlichen Aspekt des Ausbruchs aus dem zivilisatorischen Vorurteil „Kindheit“. Näheres kann ich Ihnen auf Wunsch gerne mitteilen, so Sie es mögen.
    In den letzten Wochen haben immer mehr betroffene junge Menschen sich hilfesuchend an mich gewandt, die sozusagen von „wohlmeinenden Jugendbehörden“ verfolgt werden – ähnlich den Situationen, die in den o.g. TV-Reportagen vorgestellt wurden; ihr „Vergehen“, gar ihr „Verbrechen“? Aus je unterschiedlichen Motiven und Situationen heraus sahen sie sich dazu gezwungen, sich dem vor- und antidemokratischen, nur in Deutschland bestehenden „Schulanwesenheitszwang“ zu verweigern! Daß ein Leben unter dem Druck von vielerlei angedrohten unmenschlichen Maßnahmen, die sie und insbesondere ihre Mutter und ihren Vater treffen, zur Qual wird, braucht gewiß nicht betont zu werden! Ihnen gegenüber brauche ich sicherlich nicht hervorzuheben, worin wir uns gewiß einig sind: Daß die – wohlgemerkt: zum angeblichen Wohl von jungen Menschen und zur Abwendung einer nur postulierten, nicht belegten und nicht bestehenden „Kindeswohlgefährdung“! – angedrohten oder getroffenen Maßnahmen wie der Entzug des Sorgerechts, des Aufenthaltsbestimmungsrechts bis hin zur Heimeinweisung oder Psychiatrie usw. ebenso sinnlos wie gesetzes- und verfassungswidrig sind! Erhebt sich allerdings nicht folgerichtig die Frage nach den Möglichkeiten der Abwehr? Danach erkundigen sich viele der betroffenen jungen Menschen, die bei mir verzweifelt um Rat ersuchen.
    Da ich aus Erfahrung weiß, welche Mißverständnisse sich hier einschleichen können, lege ich Wert auf die Präzisierung: Mir geht es absolut nicht darum, der staatlichen Gewalt in Gestalt der Schule eine „Ersatz-Gewalt“ in Gestalt der Familie und ihrer häuslichen Beschulung gegenüberzusetzen. Genau wie Ihnen geht es mir gewiß nicht um höherwertige Elternrechte und nicht um das Vorrecht von Müttern und Vätern, ihre Kinder abseits von anderen Menschen alleine zu erziehen; nicht um die Entmündigung von Minderjährigen und nicht um das Vorrecht auf häusliche Beschulung... Oder, wenn ich mir gestatten darf, dies juristisch auszudrücken: Die sich hier stellende Frage ist nicht jene eines von einigen Familien künstlich aufgebauschten Widerspruchs von GG-Art 6 und GG-Art 7; vielmehr geht es um den Gehalt der Grundrechte des betroffenen (jungen) Menschen selbst als Abwehr von staatlicher Gewalt, etwa in GG-Art 1 und 2... Deutlicher formuliert: Beruhen Ihre Ausführungen in den o.g. TV-Reportagen etwa nicht, ebenso wie meine Position, auf einem Selbstverständnis, das Sie womöglich aus dem Postulat der Unantastbarkeit der Würde der Person ableiten? Die Frage ist nun: Läßt sich dieses Selbstverständnis auch konkret anwenden, bevor staatliche Gewalt in Gestalt etwa von Jugendämtern und ggf. Familiengerichten mit widersinnigen Maßnahmen eingreifen?
    Aus bisherigen Begegnungen mit Juristen habe ich schlußfolgern dürfen und können, daß diese die von mir vorgetragene und postulierte Position als wirklich interessant und prospektiv betrachtet haben... Dies heißt, daß es der praktischen Umsetzung bedarf. Da immer mehr Menschen sich die widernatürlichen, unmenschlichen Bedingungen der ihnen zugefügten Gewalt nicht mehr gefallen lassen wollen, darf ich annehmen, daß ein grundsätzlicher Wandel ohnehin in Bälde eintreffen wird; entscheidend ist nicht die Frage des „Ob“, sondern nur und einzig jene des „Wann“ und „Wie“! Ich fände es schön, wenn engagierte Menschen wie Sie sich für einen guten Wandel einsetzten – so wie auch ich dies seit Jahren tue!
    Um solche Fragen, die sowohl rechtstheoretisch wie praktisch sind, zu besprechen, würde ich sehr gerne mit Ihnen in einen Dialog treten, selbst wenn ich als Philosoph womöglich nicht die ebenso juristischen wie prozessualen Kenntnisse habe: Ich hoffe, daß dies Ihr Interesse findet und Sie mir signalisieren, in welcher Form wir zusammenkommen könnten. Erlauben Sie mir den Hinweis auf die sicherlich günstige Tatsache, daß ich selbst auch in NRW lebe, wenn auch am südlichen Ende, aber sozusagen jederzeit bereit, mich auf den Weg zu machen, um Sie zu einem konstruktiven Dialog aufzusuchen.
    Ich erlaube mir, Sie vorsorglich auf meinen Internet-Auftritt „www.bertrandstern.com“ hinzuweisen, dem Sie Weiteres über mich, meine Aktivität und meine diversen Publikationen entnehmen können. Es wäre mir eine Freude, Ihnen auf Wunsch die eine oder andere Schrift zu überreichen, die Ihr Interesse fände und einen fruchtbaren Dialog anregen würde. Bis dahin verbleibe ich mit bestem Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Ihre hoffentlich gute Antwort, mit den besten Wünschen zu Ihrem menschenrechtlichen Engagement und
    mit freundlichen Grüßen
    Ihr Bertrand Stern
    ***
    Die Antwort am selben Tag:
    Sehr geehrter Herr Stern,
    auch ich halte den mangelnden Schulbesuch für eine grobe Verletzung der elterlichen Sorge und lehne Ihr Anliegen kategorisch ab.
    Mit freundlichen Grüßen
    ***
    11. Dezember 2013
    Sehr geehrter Herr ...,
    haben Sie vielen herzlichen Dank für Ihre ebenso schnelle wie knappe Antwort. Die allerdings wenig mit dem Inhalt meiner Anfrage zu tun hat. Es mag ja sein, daß Sie "den mangelnden Schulbesuch für eine grobe Verletzung der elterlichen Sorge" halten; damit können Sie mir aber nicht sagen, wie Sie als Familienrichter und Anwalt mit einem jungen Menschen umgehen würde, der sich an Sie wendet, weil er – aus welchen Gründen auch immer – sich der Schule verweigert! Werden Sie ihn kriminalisieren? psychiatrisieren? seinen Eltern entziehen und in ein Heim stecken – wo es ihm etwa besser gehen wird? nackte Gewalt anwenden bzw. ihn täglich von der Polizei holen und zur Schule bringen lassen? Wollen Sie ihm ein schulisches Lernpensum so aufdrängen, wie einem Hungerstreikenden eine Infusion? Werden Sie der Mutter oder dem Vater empfehlen, BGB §1631.2 zum Trotz nackte Gewalt anzuwenden – auch bei beispielsweise einem 14jährigen Burschen? Und, vor allem, weshalb dies alles? Nur, damit der deutsche "Schulanwesenheitszwang", den die Nationalsozialisten 1938 gesetzlich verankert haben, erhalten bleibt? Sollten Sie gute Gründe dafür haben, mein "Anliegen kategorisch" abzulehnen, wäre es vielleicht sehr sinnvoll und nützlich, daß wir uns hierüber austauschen: Vielleicht handelt es sich um ein Mißverständnis? Womöglich haben Sie emotional etwas vor Augen, das meinem Ansinnen ganz entfernt ist?
    Doch selbst wenn Sie mein "Anliegen kategorisch" ablehnen, was gewiß Ihr gutes Recht ist, gibt es bestimmte Prinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung, die aus gutem Grunde nicht einfach jemandes subjektiven Empfinden und der emotionalen Ablehnung anheimgestellt sind. Daher möchte ich Sie bitten, meinen Brief doch noch mal zu lesen, der nicht nach einer Be- oder Verurteilung ruft, sondern nach einer konkreten juristischen Aussage: Was kann ich tun, wenn junge, betroffene Menschen – ob aus Schulverweigerung oder aus anderen Gründen! – von "wildgewordenen Jugendämtern" bedroht, verfolgt, in ihrer Würde und Selbstbestimmtheit verletzt werden? Oder, noch deutlicher gesagt: Was würden SIE tun, wenn ein solcher junger Mensch, womöglich jener, um den es in der TV-Reportage ging, bei welcher Sie sich so klar und eindeutig geäußert haben, gerade deshalb entweder vor Ihrer Tür stünde oder Sie anriefe, damit Sie ihn als Anwalt verteidigen?
    Es scheint mir wenig sinnvoll, sich der Wirklichkeit zu entziehen und so zu tun, als gäbe es das nicht, was Sie womöglich als verwerflich ablehnen; Tatsache ist, daß Sie angesichts konkreter, real existierender Notfälle als Jurist die Möglichkeit haben, Menschen und ihre Rechte zu vertreten und zu verteidigen – oder aber, aus vorauseilendem Gehorsam, eine normative Vorverurteilung vorzunehmen, die genau dem Geist unseres Grundgesetzes widerspricht. Da ich mir – auf Grund Ihrer Aussagen in der TV-Reportage – dies von Ihnen genau NICHT vorstellen kann, erlaube ich mir erneut, meine Einladung zum Dialog zu erneuern – nicht für mich, sondern für eine wichtige, prospektive Angelegenheit (zumal selbst unter den heutigen führenden "Köpfen" der Schulpädagogik inzwischen anerkannt ist, daß dieser obsoleten Institution Schule keine Chance mehr gegeben ist!)
    In der Hoffnung, daß Sie mir diese klare Stellungnahme verzeihen mögen, freut sich auf Ihre Antwort und dankt Ihnen für das Verständnis und die Aufmerksamkeit
    Ihr Sie freundlich grüßender
    Bertrand Stern
    ***
    Als daraufhin keine Antwort kam, schrieb Bertrand Stern am 25. Dezember erneut eine E-Mail:
    Sehr geehrter Herr ...,
    WEIHNACHTEN: Wie könnte ich dieses "Fest des Friedens, der Liebe, der Kinder" nicht zum Anlaß nehmen einer kritischen Reflektion über Kinder in unserer Zeit? Bei vielen Menschen weckt die im Lukas-Evangelium erzählte Geschichte des kleinen Jesus in der Krippe in Bethlehem viel Rührung, allein wie sieht es aus mit jungen Menschen mitten unter uns? Gewiß leiden sie nicht unter dem Elend des engen Stalls – alleine sind sie deshalb glücklich? zufrieden? optimistisch? Wie viele unter den heute jungen Menschen haben zu leiden unter den ihnen aufgedrängten Maßnahmen, die wohlgemeint sind weil angeblich dem Wohl dienend, aber dem wirklichen Wohl und Wollen des jungen Menschen widersprechen? Können, sollen, müssen solche – im wörtlichen Sinne "kindeswohlgefährdenden" – Maßnahmen nur deshalb einfach und schweigend hingenommen werden, weil bestimmte blinde Autoritäten sich unfähig oder unwillig zeigen, andere als solch obsolete Maßnahmen zu ergreifen?
    Daß ich auf meine zweite Mail keine Antwort von Ihnen erhalten habe, wage ich als positives Zeichen zu deuten: Sind wir uns darin einig, daß es einer nur gemeinsam möglichen Anstrengung bedarf, um der strukturellen Gewalt, der normierten und gefährlichen "Vergewohltätigung" wirksam zu begegnen? Sicherlich möchten Sie sich – ebenso wie ich! – für eine humanere Lebensform einsetzen: ein jeder gemäß seinen Möglichkeiten! Läßt sich nicht gerade am Schicksal der jungen Menschen ablesen, ob eine Lebensform als human gelten kann? Sollten wir uns darin gewiß einig sein, wäre dies eine frohe Botschaft zu Weihnachten!
    In diesem Sinne darf ich Ihnen frohe Weihnachten wünschen und, Ihrer sicherlich prospektiven Antwort gerne entgegensehend und Ihnen hierfür bestens dankend, nun verbleiben
    mit freundlichen Grüßen
    Bertrand Stern
    *** 
     7 Minuten später kam – ohne Ansprache und Gruß – diese Antwort:
    Ich habe Schulverweigerern immer sofort das Sorgerecht entzogen. Ihr Anliegen verurteile ich.

     3.

    Etwas, das von einem TABU belegt ist, ist unhinterfragbar, unantastbar und für rationale Begründung und Kritik nicht zugänglich – so heißt es ... das Wesen der strukturellen Gewalt ist, dass die „Opfer“ meist selbst nicht wahrnehmen, dass sie Gewalt erfahren, weil sie die ihr zugrundeliegenden Normen internalisiert, verinnerlicht haben. Die „Täter“ anscheinend ebenfalls! Ich denke erneut an die von mir gern zitierten Worte aus Ekkehard von Braunmühls Buch „Musterkind“: „Natürlich sind die Kinder die Opfer. Aber sie sind es nur, solange die Täter glauben, sie täten etwas Gutes, und solange die Opfer glauben, sie müssten es sich gefallen lassen.“
    Und was beobachten wir, wenn die Opfer nicht mehr glauben, sie müssten sich alles gefallen lassen, sondern vielmehr ihren eigenen Willen oder Unwillen kundtun? Wer das Märchen "Des Kaisers neue Kleider" kennt, der stelle sich vor, am Ende, als das Kind plötzlich ausruft, was alle bisher nicht gewagt haben, der Kaiser habe ja nichts an, wären alle Leute über es hergefallen: "Sag sowas nie wieder, das ist nicht wahr!" ... und hätten es seinen Eltern weggenommen mit der Begründung, diese seien „nicht erziehungsfähig“, und es eingesperrt (und mit Medikamenten vollgepumpt) ...
    Oben angeschriebener Rechtsanwalt und ehemaliger Familienrichter sagt in einem Interview:
    „Das ist aber für jedes Kind und für jede Familie der absolute Super-GAU. Die Gefährdungssituation wird häufig nicht sauber herausgearbeitet und es wird nicht überlegt, ob es andere Möglichkeiten gibt, die Gefährdung abzuwenden, denn die Herausnahme des Kindes aus Familien ist immer das allerletzte Mittel der Wahl und daran halten sich viele Jugendämter nicht.“
    Und er sagt noch mehr:
    „Es gibt keine geordnete Aus- und Fortbildung für Familienrichter mit Ausnahme von Bayern. Bayern bildet die Familienrichter aus, wenn auch nur kurz, aber immerhin. Aber sonst wird Familienrecht nur unwesentlich im Studium gelehrt. In der Referendarzeit kommt es nicht vor und dann kommt man als Richter zum Landgericht und zum Amtsgericht und ist auf einmal dann Familienrichter und hat das vierte Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches noch nie bewusst wahrgenommen. Familienrichter müssen sich selbst fortbilden, ihr eigenes Geld, Kraft und Freizeit da hineinstecken. Es gibt ja viele ganz hervorragende Familienrichter, aber natürlich auch viele, die gar nichts machen und alles nur aus dem hohlen Bauch machen. Wenn dann schwierige Fälle kommen, sagt man, das soll der Gutachter machen und dem schließ ich mich dann an.
    Das hat die Auswirkung, dass die Entscheidung über Sorgerechtsentzug oder Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil dem Gutachter überlassen wird. Der Richter weiß nicht, was er machen will, dann gibt er es einem Gutachter und dessen Gutachten schreibt er ab. Punkt. Sie können die Mängel nur dann einschätzen, wenn sie sich vorher mit dem Thema einmal beschäftigt haben. Aber die meisten beschäftigen sich nicht damit."
    Offensichtlich!!! Bestätigt dies das sogenannte Peter-Prinzip – eine These von Laurence J. Peter (kanadisch-US-amerikanischer Lehrer, Erziehungs- und Sozialberater, Schulpsychologe, Gefängnislehrer und Universitätsprofessor!), die besagt, dass „in einer Hierarchie [...] jeder Beschäftigte dazu [neigt], bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen“?
    Welch absurde und bizarre Vorstellung, ein Unfähiger solle Entscheidungen treffen über die Fähigkeiten (z.B. zur Selbstbestimmung) eines anderen; ein gewissermaßen Ungebildeter soll über die Bildung eines anderen entscheiden …
    Ist das strukturelle Gewalt?